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Schließzeiten/Öffnungswesen

Es sind müde Tage bei gleichzeitiger innerer Anspannung. Deshalb bin ich nach dem Aufwachen sehr vorsichtig beim Blinzeln und Augenlider schließen. Denn ich fürchte, wenn ich die Augen zu lange geschlossen halte, im Gehen oder unter der Dusche einzuschlafen. Teilweise glaube ich auch, gar nicht wach zu sein und denke, dass es nicht die Realität ist, in der ich mich bewege. Alles ist weich und wie in den Träumen von anderer Bedeutung oder ein Stück weiter weg von mir. Wenn meine Wahrnehmung ein Greiforgan wäre, würde es sich anfühlen, als fasse ich in Teig obwohl es der Lenker meines Fahrrads ist. Und ich spüre die zunehmende Geschwindigkeit beim Bergabfahren und denke nicht ans Bremsen, wundere mich eher darüber, wie es funktioniert, dass ich hier rolle und nicht nach links oder rechts kippe. Dann halte ich an und nehme einen kleinen Stock mit dem ich in der Erde herumstochere - um zu überprüfen, ob sie real ist. Erleichterung, denn sie ist immer noch knochentrocken und nicht teigig un
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Wieder ins Wanken/Weiter waten

Wenn man es einmal gesehen hat, fällt es einem überall auf: Menschen, die sich voneinander verabschieden und in Fahrzeuge einsteigen. Sie stehen noch kurz beieinander, Gesten der Umarmung oder geschüttelte Hände. Die, die den Ort verlassen, steigen ins Auto, aufs Fahrrad, Schiff oder in den Zug und entfernen sich, hupen noch einmal oder heben die Hand zur Geste des Winkens. Und auch die bleibende Person winkt. Das Winken - ein Zeichen, eine Markierung, ein "ich bin hier" . Die Hand wird zu einer Fahne, ist schon immer der Ersatz für die, die sich keine echte Fahne leisten konnten. Und so bewegen sich der Arm als Stange und die Hand als flatternder Stoff hin und her, als flatterte sie im Wind. So lange, bis die Erdkrümmung oder die nächste Straßenecke dafür, dass man sich gegenseitig nicht mehr sieht.  Bis zu diesem Zeitpunkt zeigt man an sichtbar zu sein, beweist dem anderen seine Existenz in der seinen und versichert sich auch selbst, dass man "ist" und zueinander

Orter-Torte/Retro

P. schickt mir eine Nachricht per Diktierfunktion, die Sprache wirkt lustig entstellt. Genau wie bei den lustigen Applikationen, in denen man sein Gesicht verändern lassen kann, macht diese Diktierfunktion doch nur deutlich, das unsere Telefone in "beide" Richtungen genutzt werden. Was soll das heißen? Die ganzen Gesichtsverwandlungs-Späße helfen nicht nur den Benutzern dabei, etwas Zeit totzuschlagen oder "Spaß" zu haben - sie helfen genau so, die Datenbanken der Gesichtserkennung zu füllen und die Software zur Gesichtsmanipulation zu verbessern. Und bald schon kann man ein Verbrechen begangen haben, von dem man gar nicht wusste - in dem ein Video als Beweismittel angeführt wird, in dem ein Körper zu sehen ist, der einen anderen totschlägt und auf diesem Körper ist der eigene Kopf. Täter überführt, den Machthabern unliebsame Person eingebuchtet.  Und die Diktierfunktion: Macht sie nicht deutlich, dass das Telefon unsere Sprache analysieren kann? Und vor allem, dass

Gesunder Mansonverstand/Üwel

Auf einer öffentlichen Toilette liefen Märchenhörspiele und ich dachte: "Wenn deine Texte genutzt werden, um Fürze zu übertönen, hast du's geschafft." Keller sind Orte der Dunkelheit, aber es gibt Tageszeiten zu denen auch dort hin Licht fällt. Am frühen Morgen dringt es durch die kleinen Schächte, die früher zum Schütten der Kohle genutzt worden, in die Gemäuer ein. Dünne Streifen oder dicke Striche schneiden hell über eingestaubten Besitz, der nicht wert genug ist, um in der Wohnung zu stehen aber auch zu schwer oder zu sperrig ist, um ihn schnell entsorgen zu können. Natürlich leben dort auch die Gegenstände, von denen man glaubt, sie könnten doch noch von Nutzen sein. Der Hang zum Messitum beginnt in den nicht sichtbaren Bereichen. Und so fristen dort Wasserkocher und zerlegte Pressspanmöbel gemeinsam ihr Dasein. Ich hatte den Auftrag, genau solche, aus zusammengeleimten Spänen hergestellte Platten in einen Keller zu bringen. Über Nacht hatte ich sie, die vorgaben mas

Ein Pullover aus dem Haar anderen Menschen/Blätterpanzer

Am ersten warmen Tag des Jahres tauchen die Schildkröten aus den tiefen des Tümpels auf und beleben ihre Leiber in der Sonne, auf ihren Panzern bleibt eine Kruste von Schlamm und Algen zurück, die langsam trocknet und zu Staub zerfällt. Ich lege mich mit leicht verstopfter Nase für ein paar Minuten hin. Das linke Bein habe ich über den Rand des Bettes angewinkelt auf dem Fußboden, so als wäre es ein Anker, der mich in der Wirklichkeit bleiben lässt. Die Wärme liegt wie eine Hülle auf meinem Körper und das Sonnenlicht dringt durch meine Augenlider und macht sie rötlich transparent mit Übergängen ins Grün. Einmal zog ich an einem Joint und drehte danach meinen Kopf mit geschlossenen Augen in die Sonne in der Hoffnung auf der Innenseite meiner Augenlider würden Dinge entstehen, aber es waren nur rote und grüne Flächen.  Das Kraut hat bei mir nie eine Wirkung gezeigt, außer die sowieso schon vorhandenen Denkknoten noch komplexer zu gestalten und irgendwie sah ich darin keinen nutzen. Es ka

Katzenkuchen/Weidenturm

In der Nacht habe ich ein Gewicht auf mir gespürt. So als würde ein Wesen sich auf mich legen. Im Halbschlaf frage ich mit schwerer Zunge und schwacher Stimme: "Wer bist du?" und noch einmal "Wer bist du?" und eine tiefe Stimme spricht von hinten, schwer verständlich zu mir: "Ich bin Siris" . Dann bin ich wach und irgendwie geschockt - aber da ist es auch schon wieder vorbei. Nur etwas Angst und Anspannung bleibt und der Gedanke, dass sich hier unter dem Dach unter dem ich schlafe vielleicht alle Toten sammeln, die in diesem Haus starben. Und aus meiner Erinnerung fällt eine Situation in meine Wirklichkeit, mit der ich mich lange nicht beschäftigt habe: Als Kind fing ich irgendwann an, draußen zu spielen oder ich wurde aufgefordert doch nicht immer nur in meinem Zimmer zu hocken. Es muss in einem Frühling gewesen sein, die Luft wurde langsam wärmer und der Geruch von Dünger und einem Hauch verbrannten Laubs und aufgewirbelten Staub zog mir in die Nase,

Welt der Erde/Menschgewerk

Ich betrachte die Menschen: Unterwegs auf den Straßen oder sitzend in den Bars und versuche mir vorzustellen, wie sie sich verhalten würden, wenn ein Krieg losbrechen würde. Diese zwanghaften Fantasien habe ich nicht erst, seit "Krieg" ein Wort geworden ist, dass etwas beschreibt, was in meiner unmittelbaren Nähe stattfindet und nicht mehr, wie lange davor viele tausend Kilometer entfernt oder lang vergangen in Büchern und Filmen festgehalten wurde und damit zu einer Art Mythe geworden ist.  Die Fantasien sind näher an die Wirklichkeit gerückt. Mit einer sich stetig steigernden Unruhe sinniere ich über die Wehrhaftigkeit der in einer sicheren Welt aufgewachsenen Bürger, die bei aufkommendem Hunger einfach in den Supermarkt gehen können und bei ganz schlimmem Durst, wissen, dass man das Wasser aus der Leitung trinken kann. Und ich überlege, wie diese Menschen reagieren würden, wenn eine Armee in die Stadt einmarschiert: Olivgrüne LKW rollen durch die Straßen und verkünden übe